„Fremdistan“ öffnet seine Grenzen und lässt Flüchtlinge ins Land. Wer eine Aufenthaltsgenehmigung ergattern möchte, der muss jedoch erst viele Hürden überwinden. In der Zentralregistratur wird man direkt von einer Papierflut erschlagen. Die Fragezeichen auf der Stirn werden nicht weniger beim Durchblättern der ellenlangen Formulare auf der Suche nach den entscheidenden Hinweisen. Enträtseln lassen sich die unverständlichen Passagen kaum. Die kryptischen Lautsprecherdurchsagen sind irritierend. Der ungeduldige Beamte hinter der Schiebetür trägt nicht zur Gelassenheit bei. Wo sind die arabischen Ziffern, mit denen die Kästchen des Asylantrags gefüllt werden sollen?
60 Minuten haben die „Schutzsuchenden“ Zeit, den dreiräumigen Escape Room mit seinen Rätseln und Aufgaben zu meistern. Doch nicht allein die Euphorie, das Spiel gelöst zu haben, dominiert am Ende. Sie bekommt einen Beigeschmack von Unbehagen und Beklemmung.
„UNbekanntes Unbehagen“ heißt das Adventuregame, das von der Bundeszentrale für politische Bildung mit dem Preis „Aktiv für Toleranz und Demokratie 2023“ ausgezeichnet wurde und das jetzt im Kreis Höxter bespielt werden kann. Die Malteser, die geflüchtete Menschen in Borgentreich betreuen, werden den Escape Room ausleihen und im Theresia-Gerhardinger-Berufskollegs Warburg-Rimbeck (TGB) aufbauen. Das Kolping Schulwerk unterstützt das erlebnispädagogische Projekt als Kooperationspartner.
Erlebnispädagogik öffnet Türen zu neuen Perspektiven
Simuliert werden die komplizierten Einreisebedingungen in der fiktiven Republik „Fremdistan“: Wie lebe ich einen Alltag, dessen Sprache ich nicht verstehe? Wie finde ich mich in einer Kultur mit unbekannten Normen und Zeichen zurecht? Das möchten die Spieleentwickler, die Flüchtlingshilfe Bonn, erlebbar machen. Die Teilnehmenden begeben sich auf eine spielerische Reise, auf der sie die emotionalen Herausforderungen des Ankommens in der Fremde hautnah erfahren. Denn das Gefühl von Überforderung, Hilflosigkeit, der Fremde und der Abweisung schwingen in den 60 Minuten mit. „Wir wollen Menschen ohne Fluchthintergrund für das Gefühl des Fremdseins sensibilisieren, Verständnis und Empathie wecken“, sagt Nadja Müller de Ossio. „Wir wollen dabei keine Flucht zur Schau stellen, sondern das Gefühl vermitteln, wie es ist, wenn man fremd ist und sich in der Fremde zurechtfinden muss, weil man keine andere Wahl hat“, ergänzt Jana Gigl.
Schüler*innen aus Rimbeck im Projektteam
Die beiden Projektleiterinnen von der Flüchtlingshilfe Bonn haben den Escape Room zusammen mit jungen Geflüchteten entwickelt, die ihre persönlichen Erfahrungen bei ihrer Ankunft in Deutschland haben einfließen lassen. Insgesamt haben seit der Premiere im Frühjahr 2022 über 2.200 Spieler*innen den Escape-Room durchlaufen. Internationale Spielleiter*innen – junge Menschen mit und ohne Fluchthintergrund – betreuen den Escape Room und bieten nach dem Spiel die Gelegenheit, in einer gemütlichen Tee-Runde miteinander ins Gespräch zu kommen – und baut so Brücken zwischen den Kulturen. Bei der Spielzeit im Kreis Höxter werden Schüler*innen vom Theresia-Gerhardinger-Berufskolleg (TGB) das Projektteam ergänzen und den Ablauf vor Ort mitbetreuen.
Die Grenzen von „Fremdistan“ werden am 7. März offiziell geöffnet. Die kostenfreien Spielzeiten können bis zum 28. März gebucht werden. Der Escape Room kommt anlässlich zu den „Internationalen Wochen gegen Rassismus“ vom 11. bis 24. März in die Region, an denen sich der Kreis Höxter zum wiederholten Mal beteiligt. Im „UNbekannten Unbehagen“ im TGB können sich Spieler*innen ab 16 Jahren in Gruppen von zwei bis sechs Personen den Herausforderungen stellen. Angeboten werden drei Durchgänge pro Tag – von montags bis samstags, jeweils um 10, 12 und 14 Uhr.
Die „Einreise“ ins „UNbekannte Unbehagen“ bietet sich besonders auch für Schulklassen und Kurse als Exkursion oder als Weiterbildungs- oder Teambuildingmaßnahme für Mitarbeiterteams an.
Schon bald öffnet die „Republik Fremdistan“ im TGB ihre Grenzen und lässt Flüchtlinge ins Land, die für die Aufenthaltsgenehmigung verschiedene Rätsel knacken müssen.